Verständlich erklärt: Wer zahlt, wie viel und wie man steuern kann
Wer erbt, freut sich oft über den finanziellen Zuwachs. Gleichzeitig bringt ein Todesfall viele Fragen mit sich – besonders im Zusammenhang mit dem Nachlass und den steuerlichen Konsequenzen. Im Kanton Thurgau ist die Erbschaftssteuer ein fester Bestandteil des kantonalen Steuerrechts. Sie wird nach klaren Regeln erhoben und orientiert sich sowohl am Verwandtschaftsgrad als auch an der Höhe des geerbten Vermögens.
Dieser Beitrag liefert einen vollständigen Überblick über die geltenden Bestimmungen: Wer ist steuerpflichtig, wie hoch fällt die Steuer aus, welche Ausnahmen gelten, und wie können Erbinnen und Erben ihre Steuerlast reduzieren? Auch die Schenkungssteuer, die oft mit der Erbschaftssteuer verwechselt wird, wird berücksichtigt.
Im Kanton Thurgau unterliegt jede Person der Erbschaftssteuer, die durch einen Erbgang Vermögenswerte erhält. Das betrifft nicht nur gesetzliche Erben, sondern auch eingesetzte Erben, Vermächtnisnehmer oder sonstige Begünstigte einer letztwilligen Verfügung.
Die Steuerpflicht entsteht mit dem Vermögensübergang im Todesfall. Massgeblich ist in der Regel der letzte Wohnsitz der verstorbenen Person. Befand sich dieser im Kanton Thurgau, so unterliegt das gesamte bewegliche Vermögen der Erbschaftssteuer im Thurgau – unabhängig davon, wo die Erbinnen und Erben selbst leben. Bei unbeweglichem Vermögen (z. B. Grundstücke) gilt der Ort der gelegenen Sache als Besteuerungskanton.
Im Kanton Thurgau wird bei der Besteuerung kein Unterschied gemacht, ob das Vermögen durch eine Erbschaft oder durch eine Schenkung übertragen wird. Beide Vermögensübergänge unterliegen denselben Steuersätzen und Regeln. Das bedeutet: Wer zu Lebzeiten eine grössere Vermögenssumme erhält, wird steuerlich gleich behandelt wie jemand, der das gleiche Vermögen durch ein Testament erbt.
Diese Gleichbehandlung sorgt für Klarheit und verhindert, dass durch zeitliche Gestaltung gezielt Steuervorteile gesucht werden. Schenkende und Erblasser werden also steuerlich gleichbehandelt – zumindest im Hinblick auf die Höhe der Belastung.
Nicht alle Empfängerinnen und Empfänger von Erbschaften müssen Steuern bezahlen. Der Kanton Thurgau kennt umfassende Steuerbefreiungen für die engsten Angehörigen:
Ehegattinnen und Ehegatten
Kinder und Enkelkinder
Diese Gruppen erhalten Zuwendungen vollständig steuerfrei. Damit wird der besonderen familiären Nähe und oft auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit Rechnung getragen. Eltern, Geschwister, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie nichtverwandte Personen hingegen unterliegen der Steuerpflicht.
Die Steuerhöhe hängt im Kanton Thurgau von zwei Faktoren ab:
dem Verwandtschaftsgrad zur verstorbenen Person
der Höhe des erhaltenen Vermögens
Die Erbschaftssteuer ist progressiv aufgebaut. Das bedeutet, dass mit zunehmender Erbschaftssumme auch der Steuersatz steigt. Gleichzeitig sinkt der Steuersatz, je näher der Verwandtschaftsgrad zum Erblasser ist.
Die Berechnung erfolgt nach folgendem Schema: Ein Grundtarif, der sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis richtet, wird mit einem Zuschlag multipliziert, der von der Höhe der Erbschaft abhängt.
Ein Überblick über die geltenden Maximalsätze:
Ehegatten: steuerfrei
Kinder und Enkel: steuerfrei
Eltern: 2 bis 7 Prozent
Geschwister: 4,1 bis 14 Prozent
Lebenspartner: 8,2 bis 28 Prozent
Nichtverwandte Personen: bis zu 28 Prozent
Der maximale Steuersatz gilt ab einem steuerbaren Erbanfall von 500'000 Franken oder mehr. Kleinere Erbschaften werden entsprechend günstiger besteuert.
Um kleinere oder symbolische Erbschaften nicht unnötig zu belasten, kennt der Kanton Thurgau sowohl Freibeträge als auch Freigrenzen. Diese unterscheiden sich in ihrer Wirkung:
Ein Freibetrag wird vom geerbten Betrag abgezogen. Nur der übersteigende Rest wird versteuert.
Eine Freigrenze sorgt dafür, dass eine Erbschaft bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bleibt. Wird die Freigrenze überschritten, ist der gesamte Betrag steuerpflichtig.
Die aktuellen Werte im Thurgau lauten:
Freibeträge:
Eltern: 20'000 Franken
Alle anderen Gruppen ausser Kindern, Enkeln und Ehegatten: kein Freibetrag
Freigrenzen:
Geschwister: 5'000 Franken
Lebenspartner: 5'000 Franken
Nichtverwandte Personen: 5'000 Franken
Kinder und Ehegatten sind wie erwähnt gänzlich von der Steuer befreit und benötigen weder Freibetrag noch Freigrenze.
Die Erbschaftssteuer im Thurgau unterscheidet zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen.
Bewegliches Vermögen umfasst:
Bargeld
Guthaben bei Banken
Aktien, Obligationen und andere Wertschriften
Fahrzeuge, Schmuck, Kunst und Sammlungen
Dieses Vermögen wird am Wohnsitz der verstorbenen Person besteuert. Der Wohnsitz der Erbin oder des Erben spielt keine Rolle.
Unbewegliches Vermögen betrifft:
Grundstücke
Häuser und Eigentumswohnungen
Diese werden im Kanton besteuert, in dem sich die Immobilie befindet. Wenn der Erblasser im Thurgau wohnte, die Liegenschaft jedoch im Kanton Bern lag, dann wird diese Liegenschaft in Bern besteuert. In solchen Fällen kommt es zur sogenannten interkantonalen Steuerausscheidung, bei der die Besteuerung aufgeteilt wird.
Erbfälle mit Auslandsbezug sind besonders komplex. Die Schweiz richtet sich bei der Besteuerung grundsätzlich nach dem letzten Wohnsitz der verstorbenen Person. Andere Länder hingegen berücksichtigen die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der Erben. Dies kann dazu führen, dass eine Erbschaft in mehreren Staaten steuerpflichtig wird.
Um dieses Risiko zu verringern, hat die Schweiz mit vielen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Diese legen fest, welcher Staat im jeweiligen Fall das Besteuerungsrecht hat. Besonders bei Vermögenswerten in Deutschland, Frankreich, Italien oder den USA empfiehlt sich eine frühzeitige steuerliche Beratung.
Die Erbschaftssteuer wird im Kanton Thurgau nicht auf den gesamten Nachlass erhoben, sondern individuell für jede einzelne Erbin oder jeden einzelnen Erben berechnet. Jeder Empfänger erhält eine separate Steuerveranlagung.
Trotzdem haften alle Erbinnen und Erben gemeinsam für die vollständige Bezahlung der Steuer. Diese sogenannte solidarische Haftung ist jedoch auf das geerbte Vermögen beschränkt. Niemand haftet mit seinem eigenen Privatvermögen.
Ein Beispiel: Zwei Geschwister erben je 100'000 Franken. Einer bezahlt seine Steuer nicht. Dann kann die Steuerverwaltung den anderen zur Zahlung auffordern – allerdings nur bis zur Höhe seiner eigenen Erbschaft.
Auch wenn das Steuersystem im Thurgau relativ fair ausgestaltet ist, lohnt sich in manchen Fällen eine frühzeitige Planung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Steuerbelastung zu reduzieren:
1. Vermögensübertragung zu Lebzeiten:
Schenkungen oder Erbvorbezüge können helfen, das Erbe zu verringern
Die Steuer fällt trotzdem an, ist aber bei kleineren Beträgen oft tiefer
Über Jahre verteilt lassen sich Freibeträge mehrfach nutzen
2. Testamentarische Gestaltung mit Nacherben:
Wird eine Nacherbin eingesetzt, gilt für sie das Verwandtschaftsverhältnis zum ursprünglichen Erblasser
Damit können günstigere Steuersätze gesichert werden
3. Abzüge bei der Steuerveranlagung geltend machen:
Erlaubte Abzüge im Kanton Thurgau sind unter anderem:
Schulden der verstorbenen Person
Bestattungskosten und Grabunterhalt
Auslagen für die Abwicklung des Erbgangs
Testamentsvollstreckungskosten
Gerichtskosten und Anwaltskosten in Erbstreitigkeiten
Diese Abzüge müssen belegt und dokumentiert werden, um sie steuerlich wirksam zu machen.
Die Erbschaftssteuer im Kanton Thurgau ist nachvollziehbar und sozial ausgewogen gestaltet. Ehepartner und direkte Nachkommen profitieren von einer vollständigen Steuerbefreiung, während weiter entfernte Verwandte und nicht verwandte Personen je nach Höhe der Erbschaft eine progressive Steuer bezahlen.
Schenkungen und Erbschaften werden im Thurgau gleichbehandelt. Das sorgt für Klarheit und verhindert steuerliche Umgehungskonstrukte.
Mit rechtzeitiger Planung und sinnvoller Nachlassgestaltung lassen sich die steuerlichen Folgen deutlich optimieren. Wer bei komplexeren Erbschaften unsicher ist, sollte sich professionell beraten lassen. So kann man nicht nur Geld sparen, sondern auch sicherstellen, dass der Nachlass korrekt und im Sinne der verstorbenen Person geregelt wird.